Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Newspaper Contribution 1980

Professor Richard Meili achtzigjährig

1980.08

@PsyHist

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Alfred Lang und Rudolf Groner

Der Bund Nr. 49 vom 28. Februar 1980, S. 33.

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Lieber Richard Meili,

am 28. Februar darfst Du die Vollendung Deines achten Lebensjahrzehnts feiern. Dass es in der Zeitung steht, wirst Du nicht gern mögen; Du hast Dir nie viel gemacht aus Ehrungen und Lobreden Wir möchten aber dennoch bei dieser Gelegenheil uns und andere an einige Dinge erinnern, die Du geleistet hast, wohl wissend, dass die «Bilanz» noch nicht abgeschlossen ist, sind doch Deine Aktivität und Produktivität unvermindert.

Als Du, ein gebürtiger Schaffhauser, nach langen Jahren als Assistent und Dozent an der Genfer Universität und einigen Jahren Praxis als Berufsberater in Winterthur, im Jahr 1949 an die Berner Universität berufen wurdest, waren die Deutschschweizer Universitäten für die Psychologie noch ein Holzboden. In Bern wurden damals gleichzeitig Psychologie und Pädagogik von der Philosophie abgetrennt, eine Entwicklung, die weltweit zu beobachten war. Wie mutig damals Berner Fakultät und Regierung beschlossen ist daraus ersichtlich, dass ein psychologisches Universitäts-lnstitut in Bern bereits 1953, in Zürich jedoch erst in den sechziger Jahren und in Basel sogar erst vor zwei Jahren realisiert werden konnte.

Am Anfang war das Berner Institut klein, wohl nicht nur wegen der einschränkenden äusseren Bedingungen; es entsprach auch genau Deiner Art, lieber mit wenigen Leuten hochqualifizierte Arbeit zu leisten, als rasch und kurzlebig überall Eindruck zu machen. Anstelle von grosser Rhetorik in Vorlesungen hast Du uns eher in den Seminarien und Übungen mit Deinem beharrlichen Fragen und genauen Denken beeindruckt. Vor allem aber hast Du jene, die Dir ein wenig näher gekommen sind, durch Deine selbstkritische Haltung herausgefordert. Wer die Herausforderung annehmen konnte, hat vom Studium reichen Gewinn davongetragen.

Deine Aufbauarbeit begründete den Ruf, den das Berner Institut bei den Forscherkollegen im Ausland geniesst und der sich auch darin auswirkt, dass seine Absolventen in der ganzen Schweiz gern gesehene Kandidaten für offene Psychologenstellen sind. Die Beharrlichkeit im Beschreiten von einmal für richtig befundenen Wegen zeichnet Dein Lebenswerk aus. Wir wollen nur einige dieser Wege hier nachzeichnen.

Im Jahr 1953 hast Du die Redaktion der Schweizerischen Zeitschrift für Psychologie und ihre Anwendungen übernommen. Aus einem kleinen Provinzblatt hast Du im Lauf der Jahre eine international angesehene Fachzeitschrift mit weltweiter Verbreitung in einer erstaunlich hohen Auflage gemacht, ohne auch nur im mindesten die nationalen Interessen der Schweizer Psychologen zu vernachlässigen: Zweisprachigkeit, Pflege der Beziehungen zwischen den verschiedenen psychologischen «Richtungen», gern gelesenes Publikationsorgan von Schweizer und ausländischen Forschern.

Anfang der sechziger Jahre hast Du das Psychologiestudium für die berufsbezogene Ausbildung der Erziehungsberater geöffnet. Der Kanton Bern erfreut sich heute eines Netzes von Erziehungsberatungsstellen, um die uns manche Kantone beneiden, nicht nur in quantitativer, mehr noch in qualitativer Hinsicht. Denn während vielerorts schulpsychologische Dienststellen die Schüler mit Hilfe psychologischer Testmethoden durch das Schulsystem lenken helfen sind bei uns Berater da, welche ein bisschen neben dem System «Schule» gewissermassen die Partei des Kindes ergreifen und in vielen Fällen eine segensreiche Wirkung auf Eltern und Lehrer und ofi weit darüber hinaus entfalten. Man kann nicht sagen, die Berner Erziehungsberatung sei allein Dein Werk viele Kräfte mussten dafür zusammentreffen, und doch wäre sie kaum möglich geworden ohne Deinen Einsatz fur die Ausbildung. Und dass Deine Denkweise in dieser Institution auch heute noch wirkt, können die vielen bemischen Erziehungsberater bestätigen, die durch das Berner Institut gegangen sind und dort neben Deiner methodischen Gewissenhaftigkeit auch Deine selbstverständliche Achtung vor der Individualität des Gegenübers erfahren und übernommen haben.

Zum Abschluss Deines Studiums bei den Berliner Gestaltpsychologen hast Du eine Dissertation verfasst, in der Du vorweggenommen hast, was heute ein Hauptanliegen der modernen «Kognitiven Psychologie» geworden ist, nämlich zu zeigen, wie unser Denken entsprechend den ihm innewohnenden Gesetzmässigkeiten Ordnung in Dinge von alltäglicher Bedeutung bringt. In der Folge hast Du, wie andere Psychologen, erfolgreich Fähigkeitstests konstruiert; aber Du hast Dich nicht mit den Tests begnügt, sondern wolltest zeigen, was hinter den gemessenen Leistungen liegt. Deine Theorie der Intelligenzfaktoren, in den dreissiger und vierziger Jahren aufgestellt, später zusammen mit Dissertanten in geduldiger Kleinarbeit ausgebaut und empirisch gesichert, hat von Anfang an enthalten, was psychologische Nur-Methodiker lange vermissen liessen: nämlich die Auseinandersetzung mit den konkreten Denkprozessen, welche alle intellektuellen Leistungen erst ermöglichen. Wir warten gespannt auf Dein eben abgeschlossenes Buch, das diese Forschungen in einer Gesamtschau zusammenfassen wird.

Der Zeit voraus warst Du auch mit Deinen Studien zur Persönlichkeitsentwicklung. Mitte der fünfziger Jahre zeigtest Du aufgrund detaillierter Filmuntersuchungen die weitreichende Bedeutung des Lächelns des Säuglings in den ersten Lebensmonaten nicht nur für die soziale sondern auch für die kognitive Entwick lung. Dieser Ansatz wird heute von amerikanischen Forschern mühsam neu erfunden. Neben der Mitarbeit von Studenten und der Unterstützung des Nationalfonds hattest Du bei diesen Untersuchungen das Glück, in Deiner Lebensgefährtin Gertrud Meili-Dworetzki eine nicht nur kongeniale, sondern auch komplementäre Mitarbeiterin zu finden, deren intuitive Kreativität mit Deinem reflektierend-kritischen Denken eine fruchtbare Synthese einging.

Der Platz reicht nicht, eine ganze Reihe von weiteren Leistungen zu skizzieren, die Du vollbracht hast: als Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie, als erfolgreicher Lehrbuchverfasser und -herausgebar, als langjähriges Mitglied der Eidgenössischen Maturitätskommission und Organisator der Prüfungen in Bern; mit Deinem Einsatz für die Invalidenrehabilitation usw.

Nach Deiner Pensionierung im Jahr 1970 bist Du abenteuerlustig ein Jahr als Gastprofessor in die Türkei gefahren. In den Jahren seither hast Du nicht nur eine aktive Forschungsgruppe geführt und regelmässig am Vortragskolloquium des Instituts teilgenommen. sondern auch immer wieder gemeinsam mit jüngeren Fachkollegen Seminare veranstaltet, in denen Studenten wie Kollegen Deine unermüdliche Spannkraft, Deine Kenntnis der neusten Literatur und eine Einschätzung der Dinge bewundert haben, wie sie nur nach vielen Jahren intensiver Beschäftigung möglich ist. Für alle Projekte, die Du noch vorhast, wünschen wir herzlich: ad multos annos!

Alfred Lang und Rudolf Groner


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